Rezension: Tafelrunde

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, der Herbst kommt langsam. Es gibt wieder vermehrt graue, verregnete Tage, die dazu einladen, mit einem Buch eingekuschelt zuhause zu sein.
 

{Dieses Buch habe ich als kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen. Eine weitere Bezahlung ist nicht erfolgt. Meine Meinung ist unbeeinflusst.}



Zum Buch:

Tafelrunde. Schriftsteller kochen für ihre Freunde.

Das klingt doch nett und gemütlich dachte ich mir. Mehr aus der Buchbeschreibung: 

„ ‚Tafelrunde‘ versammelt die Lieblingsrezepte von 37 namhaften Schriftstellern. Zugleich erzählen diese Autoren aber auch ganz persönliche Geschichten über die Zubereitung der einzelnen Gerichte und ihre Erlebnisse beim Kochen. Das macht ‚Tafelrunde‘ zu einem Muss für alle Freunde des Kochens und der Literatur sowie zu einem idealen Buch zum Verschenken, zum Nachkochen und zum Schmökern.“



Herausgegeben von Angelika Overath, Manfred Koch und Silvia Overath
Verlag: Luchterhand
Erscheinungsdatum: Oktober 2012
Seitenanzahl: 384
Format: Hardcover
Preis: 19,99€


Der erste Eindruck:

Es ist ein kleines Buch (12,5 * 20 cm), hat ein handliches Format, ohne Bilder, dafür mit ein paar wenigen Illustrationen. Es ist sehr textfokussiert. „Schriftsteller kochen für ihre Freunde“? Oder vielleicht mehr: Schriftsteller schreiben? frage ich mich amüsiert. Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis, in dem immer Autoren und Gerichtnamen stehen, sorgt für etwas Ernüchterung. Ich kenne kaum einen der Autoren. Hanns Josef Ortheil, ja, der ist mir ein Begriff. Von ihm habe ich ein Buch im Regal stehen, angefangen, nie beendet, war irgendwie nicht so meins. Sein Gericht? Kalbskutteln. Dem bin ich nicht abgeneigt, aber es ist eher keine Alltagsküche. Für meine Freunde wäre es nichts. „Schriftsteller kochen für ihre Freunde“, das nehmen die wohl wirklich ernst, und fahren außergewöhnlichere Gerichte auf, denke ich mir. Ich bin gespannt!

Aufbau und Inhalt:

„Während wir aßen, lasen, sprachen und tranken, wuchs die Idee eines Kochbuchs der Schriftsteller. Rezepte, zumal wenn Autoren sie schreiben, bewegen sich auf dem schmalen Grat von Realität und Fiktion.“
Das Vorwort der drei Herausgeber macht bereits deutlich, dass besonderes zu erwarten ist, von diesem Buch. Rezepte und vor allen Dingen Geschichten, das war das ausgesprochene Ziel der Sammlung. Geht es um kochbare Gerichte, die man wirklich servieren kann?
Laut Vorwort soll es um „Poesie auf der Zunge“ gehen, darüber hinaus um Heimat, Tradition, Freiheit und Kreativität, dabei natürlich auch um Sprache, Kommunikation und Liebe.

Die Rezepte wurden nach deren Einsendung in verschiedene Kategorien sortiert, die jedoch auch unterschiedlich umfangreich sind:



Kalte Küche
Fleisch
Vegetarisch
Fisch und Frosch
Süße Küche
Menüs und Spiele


Ausprobiert:

Habe ich bisher nichts. Und das ist eine Seltenheit. Ich möchte hier trotzdem mehr zu dem Buch und den Rezepten sagen und dazu, warum ich nichts ausprobiert habe.

Kapitel 1: Kalte Küche

Ich liebe die kalte Küche. Vorspeisen, Kleinigkeiten, Dinge, die man gut vorbereiten kann. Perfekt, wenn Gäste kommen. Den Auftakt macht Leta Semadeni mit einem Avocadosalat. Avocado, Mango, Apfel, Sellerie, Pekannüsse, Olivenöl, Balsamico. Das reizt mich leider gar nicht. Die Geschichte dazu: wundervoll! Eine kleine Reise, ein Ausflug in eine andere Zeit. Mit wunderbaren Worten gemalt! Viel schöner, als das Rezept.

Das restliche Kapitel ist kurz, es gibt nur zwei weitere Autoren, die zur kalten Küche schreiben. Verena Stössingers Nuss-Schnaps sagt mir grundsätzlich zu, ist mir für den Moment aber zu viel Aufwand, dauert zu lange für eine Rezension, die grünen Walnüsse sind auch schon durch, wann anders also.

Kapitel 2: Fleisch

Für das erste Rezept, von Terézia Mora, braucht man...ähm... 3 dkg Schweineschmalz. Die Maßeinheit kenne ich nicht, kann man aber natürlich googeln. Vorher gab es Rezepte mit (für mich üblicheren) Gramm-Angaben, das hätte ich mich durchgehend gewünscht. Außerdem benötigt werden Nieren, Leber und Hirn vom Schwein. Ich mag Innereien, keine Frage. Trotzdem ist es für mich erst einmal nicht das naheliegendste, vor allen Dingen nicht für eine Suppe. Von meinen Freunden würde das keiner essen, mein Mann allerdings sicherlich. Eines Tages, vielleicht, denke ich, und blättere weiter.
Rote Bete, Kutteln, Leber, entweder sprechen mich die Rezepte nicht an oder ich habe das Gefühl, dass das Rezept selbst nichts für mich ist.

Theres Roth-Hunkellers Fleischkuchen klingt interessant. Der „Kuchenteig“ soll allerdings beim Bäcker bestellt werden, das alternative Rezept dafür ist nur sehr fragmentarisch angegeben. Gefüllt wird unter anderem mit Kalbsbrät, was für Deutschland mit der Angabe „Leberkäsmasse“ versehen ist und mich verwirrt. Dazu kommen Oliven und Paprika, Schnitzel und Schinken. Irgendwie überzeugt mich die Kombination nicht wirklich und die Unklarheiten in Rezept und Zutaten verhindern, dass ich es ausprobieren möchte. Schade, denn die Geschichte dazu klingt nett. Vielleicht also irgendwann, wenn ich in mutiger Probierlaune bin.

Es folgen mehr Braten, achja, achne, wann anders. Der Hirschbraten von Erica Pedretti klingt gut, aber irgendwie zu sehr nach Winter, jetzt gerade. Wann anders, erneut, ebenso wie der Gänsebraten. Die Geschichte dazu, von Katja Lange-Müller, ist lang und spielt kurz vor Weihnachten. Also hebe ich sie mir für den Winter auf.

Kapitel 3: Vegetarisches

Brennnesselsuppe, dafür bin ich leider zu spät dran, schade. Möhren-Ingwer-Suppe, naja, nein, Möhren mag ich eigentlich nur roh. Mehr Suppen. Kartoffelpuffer, vielleicht im Winter wieder. Linguine mit Reizker. Ein Blick in die Geschichte dazu: Ah, Pilze. Im Herbst irgendwann, noch nicht.

Kapitel 4: Fisch und Frosch

„Haifisch in der Mikrowelle“ lautet das erste Rezept. Alles in mir ist skeptisch, nein, eigentlich ablehnend. Das ändert sich auch nicht, als Ruth Klüger versichert, dass die Mikrowelle sich wunderbar eigne um Fisch zuzubereiten. Die Beschreibung dazu weckt nicht mehr Vertrauen: Man soll die Teile vom Filet, die bereits gar sind, abschneiden, den Rest weiter kochen. Also das Hai-Filet zerstückeln. Die Idee einer Tomatensauce oder alternativ Ananas und Mango dazu, auch das schreckt mich ab und klingt nach einer unwürdigen Ergänzung zu Haifilet. Klügers Fazit: „Laßt uns hoffen, daß die Haifische, trotz dem Haß der Menschen, nicht aussterben, denn sie schmecken so gut!“ lässt mich den Tiefpunkt des Buches erreichen.

Froschschenkel folgen und reizen mich grundsätzlich zwar, ich würde diese Delikatesse aber lieber erst einmal in einer kleinen Menge irgendwo gekonnt zubereitet probieren. Auch Hummer gehört eher zu den Zutaten, die ich mir als Student noch nicht leisten kann. Wenn ich erst einmal ein namhafter Schriftsteller bin, gern.

Kapitel 5: Süße Küche

Die Gewürzpflaumen, die klingen richtig gut! Die nahm ich mir vor, für die Zeit, wenn die Pflaumen reif sind. Und dann habe ich es irgendwie verpasst. Das steht aber auf der Liste, auf der wahrhaftigen Liste der Nachkochwünsche. Der Rest in dem Kapitel, muss ich gestehen, ist leider wieder stets aus diesem oder jenen Grund, nicht nach meinem Geschmack. Apfelkuchen geht zwar eigentlich immer, Ulrike Draesners Rezept liest sich jedoch nicht so gemütlich, so lecker, so verlockend, wie viele der anderen Apfelkuchenrezepte in meinem Repertoire. Ihr Gedicht dazu erreicht mich zudem überhaupt nicht, eher im Gegenteil. Vielleicht bin ich ein Lyrikbanause.

Kapitel 6: Menüs und Spiele

Theresia Walser schreibt über Kochen für Feinde. Sollte ich das Rezept daher lieber meiden? Zucchini indisch, mit Mango-Chutney, ohne Rezept dafür. Lass ich dann mal. Weiter geht es mit überbackenen Riesenbohnen, worin sehr viel Sellerie enthalten ist. Meine Schwiegermutter könnte ich damit vergiften, geht also feindlich weiter und interessiert mich, auch abgesehen vom Schwiegermutterfaktor, nicht. Überbackene Quitten hingegen, die merke ich mir mal vor, wenn die Quitten reif sind.

Die Warpelpimas von Kathrin Schmidt klingen gut, aber nach viel Aufwand, wann anders also. Die Geschichte dazu liest sich gut. Wieder einmal gerät das Rezept in den Hintergrund. Und so bleibt es im restlichen Kapitel: Entweder erreichen die Rezepte mich nicht, oder die Texte interessieren mich mehr. Besonders Stephan Krass spielt mit Worten, mit Anagrammen und Alphanumerik. Das mag ich gern.

Abschließende Worte:

Für mich eine nette Lektüre. Überwiegend gut geschrieben, für zwischendurch trotzdem geeignet. Aber: Eher auf dem Nachttisch, nicht in der Küche. Die Rezepte interessieren mich nicht, erreichen mich nicht. Es ist für mich kein Kochbuch, eher ein Buch über Essen. Vielleicht bin ich zu wählerisch, vielleicht fehlen mir zumindest ein paar ansprechende Bilder. Nigel Slater, „the cook who writes“, erreicht mich immer wieder. Diese Schriftsteller, die für ihre Freunde kochen, leider nicht.



Lasst es Euch gut gehen!
Eure




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