Erster Eindruck:
Bereits
auf den ersten Blick ist dieses Buch ganz anders: Es
ist bunt, es ist schrill, gleichzeitig hochwertig. Die vielen Bilder
entführen nach Tokyo und zeigen, wie vielfältig die schimmernde
Großstadt sich zeigen kann. Tim Anderson nimmt einen mit durch die
turbulente Stadt, von den unterirdischen Läden und Kaufhäusern bis zu
den Rooftop-Bars. So vielfältig zeigen sich auch die Rezepte, von ganz
klassischen und authentischen Gerichten bis zu internationaliserten
Abwandlungen.
So sind die Kapitel auch nicht nach Mahlzeiten oder Zutaten sortiert,
sondern nach Ebenen der Stadt. Los geht es im Depachika mit einer
Warenkunde. Von Sojasauce und Miso über Tsukemono zu Dashi, hier
erfahren wir, was man in der Küche haben sollte und was man dabei
beachten sollte. Bei Tokyo Street gibt es Rezepte wie aus
Verkaufsautomaten, Suppen, Tees und kleine Köstlichkeiten.Tokyo
Local zeigt die Spezialitäten der Stadt, von Klassikern wie Sushi,
Soba-Nudeln und unseren heutigen Gyoza bis zu Ramen-Varianten oder in Tempura
ausgebackenen Gerichten. Tokyo National besinnt sich auf traditionellere
Gerichte, Tokyo Global fusioniert mit der weiten Welt, etwa bei
Uni-Linguini, Ebikatsu-Burger oder Pizza. Im nächsten Kapitel schaut man
in die Privatküchen Tokyos: At Home in Toyko. Einfachere Gerichte für
den Alltag, Bento-Ideen und sogar einem Rezept dafür, fertige
Instant-Ramen-Suppen aufzupeppen. In Tokyo Modern wird es dann
gehobener: Cocktails, Foie Gras und Pâté bilden den Abschluss des
Buches.
Zu den Zutaten:
Für
viele Gerichte braucht man einen guten sortierten Asia-Markt und einen
sehr guten Metzger, der einen etwa mit Hühner- oder Schweinefüßen oder
anderen spezielleren Schnitten und Stücken vom Fleisch versorgen kann.
Die Zutatenlisten sind oft lang und die Zubereitungen scheinen
aufwändig. Die Rezepte, die mit besonderer Einfachheit werben sind im
Gegenzug oft so simpel, dass sie mich nicht so richtig ansprechen. So
ist dieses Kochbuch schwierig für mich. Es macht mich neugierig, lockt
mich und vieles würde ich probieren, doch gleichzeitig macht es mir
wenig Lust, diese Gerichte selbst auszuprobieren.
Ausprobiert: Hanetsuki Gyoza (S. 84 f.)
Vorweg:
1. Man brauche einen gut beschichteten Topf, eine Antihaft-Pfanne oder eine gut eingebrannte Pfanne mit Deckel, schreibt Tim Anderson, sonst brauche man gar nicht erst anzufangen. Das liegt nicht nur daran, dass Gyoza grundsätzlich schon dazu neigen, zu zerreißen, wenn sie sich nach dem Anbraten nicht wieder gut lösen lassen, sondern auch an der Zubereitungsart mit der Stärke, die diese feinen Flügelchen bilden soll. Wenn man die Gyoza dann am Ende auf den Teller stürzt und diese sich nicht lösen, ist das eine traurige Angelegenheit.
2. Das Original-Rezept ist für 24 Gyoza angegeben. Tim Anderson geht aber darauf ein, dass in den Gyoza-Teig-Packungen oft 30 Stück enthalten sind und man, wenn man die Masse sparsamer dosiert, auch 30 füllen kann. Ich habe daher aber das Rezept hochgerechnet. Und dann festgestellt, dass in meiner Gyoza-Packung sogar 40 Teigblätter enthalten sind. Schaut also am besten, wie viele Teigblätter ihr wirklich habt und rechnet die Zutaten hoch/runter.
Für rund 24 Gyoza:
250 g Schweinehackfleisch
4 Knoblauchzehen
1 Stück Ingwer (ca. 2 cm)
15 g Nira (japanischer Schnittknoblauch)
80 g Chinakohl
1/2 TL Salz
1/4 TL weißer Pfeffer
24 Gyoza-Teigblätter, aufgetaut
10 g Speisestärke (plus mehr zum Bestäuben des Tellers!)
10 g Mehl
150 ml kaltes Wasser
Öl zum Braten
für den Dip:
4 EL Sojasauce
2 EL Reisessig
1 TL Chili- oder Sesamöl (je nach Schärfe aufpassen!)
Zu den Zutaten:
Nira ist ein japanischer Schnittknoblauch und ich habe ihn durch Schnittlauch ersetzt. 4 Knoblauchzehen kam mir auf 250 g Schweinehack sehr viel vor. Normalerweise hätte ich es trotzdem einfach ausprobiert, da ich aber derzeit stille habe ich die Menge auf 2 Zehen reduziert, um mein Hessenmädchen nicht ganz abzuschrecken. Gyoza-Blätter findet man im Asiamarkt, oft tiefgekühlt.
Ein regionales Problem ist das Schweinehack. Hier in Nordhessen gibt es das oft nur vorgewürzt. Ungewürztes zu bekommen ist etwas schwerer, aber beim Metzger bekommt man es im Zweifelsfall gut durchgedreht. Alle anderen Zutaten gibt es problemlos im normalen Supermarkt; Chinakohl vielleicht nur in den etwas besser sortierten.
Zubereitung:
Den Knoblauch fein reiben oder hacken, den Ingwer schälen und ebenfalls fein reiben oder hacken, ebenso den Nira (bzw. Schnittlauch) dünn schneiden und den Chinakohl in feine Streifen schneiden. Mit dem Schweinehack mischen und mit Salz und Pfeffer würzen.
Die Gyozablätter bereitlegen, dabei mit einem feuchten Tuch abdecken, damit sie nicht austrocknen. Eine keine Schlae mit Wasser bereitstellen. Einen Teller mit Speisetärke bestäuben und bereitstellen.
Nun die Gyoza nach und nach füllen. Dafür immer einen leicht gehäuften Teelöffel der Masser in die Mitte eines Blattes geben, diese zu einem Halbkreis zusammenfalten und, wenn man mag und kann die Ränder leicht kräuselnd verschließen, indem man die Ränder mit Wasser bestreicht und fest andrückt. Dafür schaut man sich am besten Mal ein paar Videos an. Es kommt hier aber nicht so auf die schöne Naht an, weil die Gyoza später auf der Nahtseite serviert werden.
Die fertig gefüllten Gyoza auf den Speisestärke-Teller legen und mit einem feuchten Tuch abdecken.
Alle Zutaten für den Dip verrühren.
Stärke und Mehl im Wasser auflösen und bereitstellen.
Bratöl in die beschichtete Pfanne geben und gut verteilen, ggf. mit einem Küchenpapier. Es sollte nicht zu viel Öl sein. Die Pfanne bei mittel-hoher Temperatur erhitzen, bis sie sich sehr warm anfühlt, wenn man die Hand darüber hält. Dann die Gyoza mit der Naht nach oben in die Pfanne legen und zwar in Form eines Windrads. Dabei auch in der Mitte Gyoza einlegen. Es ist optimal, wenn alle Gyoza in die Pfanne passen und dicht aneinander liegen.
Die Gyoza 1 Minute braten. Dann die Stärke-Mehl-Wasser-Lösung nochmals aufrühren und so viel in die Pfanne gießen, dass der Boden vollkommen bedeckt ist und alle Gyoza umschlossen sind. Sofort den Deckel auflege, die Hitze ganz hoch stellen und 3 Minuten dämpfen. Dann den Deckel abnehmen und solange weiterkochen, bis die Flüssigkeit ganz verdampft ist. Es sollte sich eine dünne Kruste bilden, die nicht mehr blubbert. Dann kommt die Stunde der Wahrheit: Einen Teller bzw. eine Platte in Größe der Gyoza-Kreises auflegen und mit der Pfanne drehen und die Gyoza stürzen und mit dem Dip servieren.
Sollte das, wie es bei mir der Fall war, nicht sofort klappen, vorsichtig zurückdrehen (Achtung, ggf. Verbrennungsgefahr) und mit einem Pfannenwender behutsam die Gyoza lösen. Dann waren die Götter einem wohl nicht wohl gesonnen oder die Pfanne nicht gut beschichtet. Mit ein bisschen Geduld lässt es sich aber meist dennoch lösen und stürzen und schmeckt auch minimal beschädigt wunderbar.
Zur Zubereitung:
Gyoza brauchen ein bisschen Geschick und Übung, sind aber kein Hexenwerk. Ich fand die Anleitung soweit gut und verständlich, am Ende ist es ein bisschen Glückssache, ob und wie gut es klappt. Die Füllungsangabe eines gehäuften Teelöffels ist natürlich auch schwankend, ich schaffe es schließlich auch, ein halbes Glas Erdnussbutter auf einen Teelöffel zu bekommen, wenn ich möchte. Hier braucht man also auch ein bisschen Fingerspitzengefühl. Ich hatte die Masse auf 30 Gyoza hochgerechnet und konnte dann nur 28 füllen, hatte es also minimal zu gut gemeint.
Was mir auffiel:
Ich war an mehreren Stellen mit der Übersetzung unzufrieden. Die Stärke-Mehl-Wasser-Mischung ist im Deutschen etwas unklar, da zwar Speisestärke, Mehl und Wasser in den Zutaten auftauchen, in der Zubereitung aber von der „Stärkelösung auf Mehl und Wasser“ die Rede ist. Im Englischen ist durch cornflour und plain flour und die Formulierung “stirring together the flours and water” absolut klar, was zu tun ist.
Die Pfanne erhitzen, bis sie sich recht heiß anfühlt, klingt wesentlich schmerzhafter als “until it feels quite warm when you hold your hand over it”. Auch im Einleitungstext zum Rezept geht an der ein oder anderen Stelle ein bisschen was vom Gefühl unter, wenn Feinheiten und Nuancen in der Übersetzung nicht gut gemacht werden.
Und wie hat es geschmeckt?
Die Gyoza waren außen schön knusprig und innen noch saftig und schön aromatisch. Der Dip war mir, aufgrund unseres Chiliöls, ein wenig zu scharf. Da sollte man also gut drauf achten und sich vorsichtig herantasten. Man sollte bedenken, dass Gyoza alleine nicht soo sättigend sind. Als Vorspeise oder Teil eines Hauptgerichts ist es sicher gut, 28 Gyoza allein für zwei Personen war eher knapp.
Auf der Ausprobier-Liste:
Vieles würde ich probieren aber beim wenigen Gerichten kann ich mir vorstellen, sie wirklich in meiner Küche auszuprobieren. Mich reizen die Nikuman, gedämpfte Teigtaschen mit Fleischfüllung, für die ich auch fast alles im Haus habe. Das wird sicher das nächste Rezept, das ich teste. Es bleibt aber auch das einzige, vorerst, das ich mir vornehme.
Fazit
Es ist für mich ein bunter, etwas schriller Ausflug in eine mir
vollkommen unbekannte Stadt. So Lust ich habe auf diese Reise, so
überfordert bin ich gleichzeitig von ihr. Während mir andere asiatische
Kochbücher das Gefühl geben, die ferne Küche im Handumdrehen in die
eigenen vier Wände holen zu können, lässt mich dieses Buch etwas ratlos
sein. So richtig erreicht es mich leider nicht.
Lasst es Euch gut gehen!
Eure